Als junger Christ habe ich gedacht, die Frage Warum? dürfe man als guter Christ gar nicht stellen. Anstelle von Warum? sollte man besser Wozu? fragen. Was ist der Unterschied? Bei Warum? geht es mehr um einen selbst. Warum hat Gott so was in meinem Leben zugelassen? Bei Wozu? geht es mehr um die Lektion, die ich aus dieser Situation lernen kann, um die Frage, wie das mir Zugestoßene dem anderen zum Segen werden kann. Es macht also einen wesentlich reiferen Eindruck, wenn ich Wozu? statt Warum? frage.
In den letzten Jahren musste ich immer wieder feststellen, dass biblische Vorbilder des Glaubens aber Gott genau diese vorwurfsvolle Frage gestellt haben: Warum? Egal ob Mose (2 Mose 5,22; 32,11; 4 Mose 11,11), Josua (Jos 7,7), Gideon (Ri 6,13), der Verfasser von Psalm 10 (10,1) oder die Söhne Korachs (Ps 44,24; 88,15). Sie alle haben Warum? gefragt. Jeremia tut dies auch:
Herr, wenn ich auch mit dir rechten wollte, so behältst du doch recht; dennoch muss ich vom Recht mit dir reden. Warum geht’s doch den Gottlosen so gut, und die Abtrünnigen haben alles in Fülle?
Die Bibel. (LU84)
Stellen wir uns diese Frage nicht auch öfter: Warum geht es ausgerechnet den Gottlosen so gut? Wenn wir unsere Umgebung anschauen, oder die Machthaber und Promis dieser Welt, dann ist bei manchen diese Frage schon berechtigt. Sie schaffen es immer wieder, ungestraft davonzukommen, so den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Um Jeremia besser verstehen zu können, müssen wir den Zusammenhang beachten. Er wird von den eigenen Leuten verfolgt, den Menschen aus Anatot, wo er selbst auch herkam. Sie beabsichtigen ihn sogar umzubringen (11,21). Er hat berechtigte Angst und fragt Gott, wie es sein kann, dass diese Gottlosen scheinbar in Fülle leben können (12,1). Gott hat sie sogar selbst geschaffen. Wie kann das sein? Und er? Er liebt doch Gott, er steht doch auf der richtigen Seite, warum kann dann Gott jetzt solch eine Bedrohung zulassen? (12,3).
Gott hat mir als Christ nie ein einfaches Leben ohne Verfolgung versprochen. Das findet man im Neuen Testament nicht. Wir bekommen oft auch keine Antwort auf unsere Warum?-Frage. Was also tun? Warum? fragen (Gott hält das aus), weiterhin an ihm festhalten und weitergehen.