Jesus allein! So hatten es die Reformatoren bestätigt. Beim Apostelkonzil in Jerusalem (Apg 15,1-29) wurde dies das erste Mal deutlich ausgedrückt. Heiden waren in großer Zahl zum Glauben gekommen, und ihr kultureller und religiöser Hintergrund unterschied sich stark zu dem des Judentums. Kein Wunder, dass eine Diskussion unter den Christen aufkam, ob zum Glauben allein Jesus ausreicht oder Jesus plus Beschneidung und die Einhaltung der mosaischen Gesetze notwendig ist (Apg 15,1.5-6). Die Sache war am Schluss eindeutig: Jesus allein! Aus Rücksicht auf die Juden wurden den Heiden nur ein paar Verzichte nahegelegt.
Paulus und Silas machen sich auf den Weg, um diese Beschlüsse weiterzugeben.
Als sie aber durch die Städte zogen, übergaben sie ihnen die Beschlüsse, die von den Aposteln und Ältesten in Jerusalem gefasst worden waren, damit sie sich daran hielten.
Die Bibel. (LU84)
Umso verwunderlicher ist es, dass Paulus den jungen Timotheus extra beschneiden lässt, bevor sie Richtung Antiochia weiterzogen (Apg 16,3). Warum macht Paulus das? Er war doch einer der größten Verfechter der Jesus-allein-Fraktion beim Apostelkonzil gewesen? Es ging ihm ganz und gar nicht darum, jetzt wieder zusätzliche Werke zur Errettung allein aus Glauben hinzuzufügen. Er tat es wegen der Juden, die in jener Gegend waren; denn sie wussten alle, dass sein Vater ein Grieche war (Apg 16,3). Paulus wollte nicht, dass die Tatsache, dass Timotheus nicht beschnitten war, ein Hinderungsgrund für die Verbreitung des Evangeliums war. Es war eine Geste des Entgegenkommens, um die frommen Juden nicht gleich von vorneherein vor den Kopf zu stoßen. Es war kein Kompromiss oder gar ein Eingeständnis, sondern Paulus wollte alles in seiner Macht Stehende versuchen, um etwaige Hindernisse für das Evangelium aus dem Weg zu räumen. Wir erleben das immer wieder bei Paulus, dass er sich anpasste, um möglichst viele für Jesus zu erreichen. Er lebte nach dem Motto: Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne (1 Kor 9,20).
Timotheus sah das auch so, sonst hätte er der schmerzhaften Beschneidung sicherlich nicht zugestimmt. Er wollte, dass sein Leben dazu dient, dass andere zum Glauben finden. Er dachte nicht an sich, sondern an die anderen. Worauf verzichte ich, was nehme ich auf mich, um möglichst viele für den Glauben an Jesus zu gewinnen?